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Han's Klaffl
Christoph Sieber
Max Uthoff
Friedemann Weise
Matthias Egersdörfer
Michael Altinger

Christoph Sieber auf der KiR-Bühne: "Lieber faul als immer müde".

Am 10.März war Christoph Sieber, gebürtiger Schwabe, Wahl-Kölner und Gastgeber der legendären "Mitternachtsspitzen", auf der KiR-Bühne in Rheinstetten. In seinem aktuellen Soloprogramm forderte er nichts Geringeres als "Mensch bleiben!". Ein schwieriges Unterfangen gerade in Zeiten wie diesen. Aber Christoph Sieber brachte seine Botschaft dem KiR-Publikum gekonnt nahe: lässig, schelmisch, satirisch, bitterböse, plötzlich aufrüttelnd und manchmal sehr ernst. Christoph Sieber agierte nicht nur als Kabarettist sondern auch als Komödiant, Sprach- und Balljongleur und als Singer-Songwrighter.

 

Sieber beginnt den Abend mit einer grundsätzlichen Erklärung, denn viele erwarten vom Kabarett die großen Antworten. Er aber habe nur die großen Fragen. Und er habe Zweifel, denn Zweifel sei die Grundlage unserer Menschlichkeit. Der Gedanke, dass der andere recht haben könnte, sei wichtig: „Im Zweifel für den Zweifel!“ Eine Forderung, die immer mehr in Vergessenheit gerate, weil nur noch die eigene Meinung zähle - unabhängig von den Fakten. So sehe es derzeit aus. Warum sind wir User oder Konsumenten, Ukraine- oder Russland-Versteher, Migranten oder Deutsche, aber immer seltener einfach nur Mensch?

 

Er, so Sieber, liebe Internet und Soziale Netzwerke, Verschwörungstheorien und hochgradige Aufgeregtheiten. So lese er bei Telegram, dass die Corona-Impfung impotent mache und dies an die Nachkommen weitergegeben werde. Da stelle sich für ihn die Frage, was sich durchsetzen werde, KI oder menschliche Dummheit?

 

Natürlich arbeitet sich Christoph Sieber, selbst schon lange aus der Kirche ausgetreten („Ich glaube nicht an Gott. Aber ich glaube, er weiß es.“), als Wahlkölner an seinem Lieblingskardinal Woelki ab, den er gerne fragen würde, ob er wisse, dass ein Hirte ohne Herde nur ein alter Mann am Stock sei, der auf eine Blumenwiese aufpasse. Aber nicht nur die Kirche, wir alle bekommen unser Fett weg. An die Gesellschaft gerichtet stellt der Kabarettist fest: Wir leben nicht über unsere Verhältnisse, sondern über die der anderen! In seinem Song über die Gewöhnung beklagt er, dass die Lüge zur Wahrheit werde und fordert dazu auf „Gewöhn dich nicht!“ Er jedenfalls schwimme gegen den Strom und sei lieber faul als immer müde, denn er wolle Mensch bleiben.

 

Eine Besucherin, die den Kabarettisten nur aus dem Fernsehen kannte, schrieb nach seinem Auftritt bei KiR: „Er hat meine Erwartungen weit übertroffen. Danke für diesen Abend!" – Das freut Künstler und Veranstalter.

 

Am Ende seines Auftritts gab es eine Besonderheit: Siebers Spendenaktion. Statt wie in der Szene üblich CDs zu verkaufen, stellte er diese gegen eine Spende zur Verfügung mit dem Auftrag, das Geld an das Gabenlädchen in Rheinstetten weiterzuleiten. Das wird geschehen, 467,- Euro sind so zusammengekommen.

Die Bilder des Abends von Franz Gerstner

Ein Lehrer plaudert aus der Schule - Han's Klaffl auf der KiR-Bühne


Nach einem „annus horribilis 2022“ hatte Han‘s Klaffl erst den fünften Auftritt nach seiner Genesung mit dem vierten Teil seiner zweiteiligen Trilogie „Nachschlag“ auf der KiR-Bühne. Was er an diesem Abend nach seinem „Katastrophenjahr“ vor ausverkauftem „kleinen“ Haus im Schulzentrum bot, begeisterte sein Rheinstettener Publikum.

 

Der seit nunmehr acht Jahren pensionierte Gymnasiallehrer sammelte in seiner aktiven Zeit genug Material, um ein furioses Programm zusammenzustellen. Nichts von dem, was er vorträgt, so versichert Han’s Klaffl, fällt ihm ein. Er schrieb mit, denn ausdenken kann sich so etwas kein Mensch. Und so erinnert er sich an die Schulzeit – seine eigene und an seinen 40jährigen Einsatz im Schuldienst. Es gibt einen „Nachschlag. Eh ich es vergesse“. 

 

Die Erzählung über die eigene Schulzeit in den 50ern und 60ern beginnt mit der „schweren" Kindheit auf dem Land, wo die Rotzbollen das einzig Süße war und sämtliche Krankheiten mit Lebertran behandelt wurden, der so ungenießbar war, das Han’s Klaffl vermutet, die Wahlfanggegner seiner Generation vor allem Lebertrangegner seien. Auch Allergien wurden noch verbal behandelt („Stell dich nicht so an") und die Handys waren „stationär, groß, gelb und begehbar".

 

Anhand seiner frühen Schulzeit Mitte der 50er Jahre zeigte Klaffl, dass die kollektive Erinnerung der Erwachsenen „auch nur zehn Jahre zurückreichte" und Judenwitze behutsam an den Antisemitismus heranführten. Hier spannt er auch den Bogen zu heute und zeigt sich verwundert, wie Heimatvertriebene gleichzeitig flüchtlingsintolerant sein können, obwohl sie selbst die gleiche Erfahrung gemacht haben.

 

Der erste Mathematiklehrer weckte in Klaffl die Liebe zur Mathematik, indem er den Realitätsbezug dieser Kunstform durch absolut hirnrissige Textaufgaben ad absurdum führte: „Chantal nimmt jeden Tag einen Esslöffel Lebertran zu sich und bekommt dafür 10 Pfennig. Wie viele Wale verbraucht sie bis zu ihrem 60. Lebensjahr? Wie alt muss sie werden, dass sie sich einen eigenen Walfangkutter leisten kann?“

 

Natürlich ist sich der pensionierte Pädagoge seiner Verantwortung bewusst und gibt bereitwillig Ratschläge an Eltern und andere Erziehungsversuchende. Han’s Klaffl gibt eine vergnügliche Doppelstunde mit Klavier und Kontrabass, er nimmt sein Publikum sozusagen mit auf einen Wandertag in eine pädagogische Subkultur und bietet eine selbstironische Abrechnung obendrein. Klaffl macht, wie Jens Wehn in seinem BNN-Artikel über den Abend auf der KiR-Bühne schreibt, kein Schenkelklopferkabarett, sondern zeigt mit viel Wortwitz das Absurde im Normalen auf. Das Publikum honorierte diese Art des Kabaretts mit viel Applaus.

Die Bilder des Abends von Franz Gerstner