Stefan Danziger war zum zweiten Mal auf der KiR-Bühne und begeisterte mit seiner wundervollen Geschichtsstunde das Rheinstettener Publikum.
Mit einem Parforceritt durch die Menschheitsgeschichte, insbesondere durch die Kolonialisierung der verschiedensten Weltregionen erwies sich „der kleine Comedian aus dem großen Berlin als hintersinniger Mann mit Bildung“, wie es die Münchner Abendzeitung formulierte. Warum er sich selbst als Comedian bezeichnet, erschließt sich nicht, denn seine Texte sind im Grunde typisch Kabarett: hochaktuell und überaus politisch.
So zeigte er den Zusammenhang zwischen ukrainischen Sonnenblumen mit Sklaverei und Kolonialismus in Asien und Amerika oder was Katharina die Große, die deutsche „Krim-hild“, mit Wladimir in Russland und Volodymyr in der Ukraine bis heute zu tun hat. Stefan Danziger ist ein Geschichtserklärer mit großem historischem Atem. Mit seinen Kenntnissen in slawischer Geschichte und seinem Wissen über die Herkunft der Moskawiter könnte er Putin Nachhilfe in russischer Geschichte geben. Wie gesagt, Danzigers Programm, seine Geschichtsstunde war hochaktuell und trotz des ernsten Hintergrunds amüsant und kurzweilig.
Zwei Stunden berlinerte sich der gebürtige Dresdner, der ab seinem sechsten Lebensjahr in der Sowjetunion aufwuchs, weil sein Vater als DDR-Teilchenphysiker in der Sowjetunion arbeitete, durch sein Programm, was dem Abend einen ganz besonderen Flair verlieh. Danziger beendete seine Geschichtslektion mit der überaus ernstgemeinten Empfehlung an das Publikum für ein gelingendes individuelles und gesellschaftliches Leben: „Macht einfach nichts kaputt!“
Lang anhaltender Beifall belohnte den Künstler für seine wundervolle Geschichtsstunde und die KiR-Bühne verabschiedete sich mit einem überaus positiven Kabarettabend in die Sommerpause.
Es war wie bei den vorherigen Auftritten des Kabarettisten HG Butzko in Rheinstetten: Ein Mann, ein Stehtisch, eine Meinung!
Gleich mit den ersten Sätzen stellte der Mann aus Gelsenkirchen, aufgewachsen im Stadtteil Schalke neben dem Stadion, klar, dass es schon ein bisschen anstrengend werden könnte, denn es ginge in seinem neuen Programm um Meinungsbildung – also um Meinung und Bildung! Zwar solle er für zwei Stunden Frohsinn und Unterhaltung sorgen, aber, so meinte Butzko, „Mein Kabarett ist Gehirnjogging.“ Er sei der Hirnschrittmacher aus dem Ruhrpott, der weder die eine, noch die andere Seite und schon gar nicht sich selbst schone. Er frage sich jedoch, ob das KiR-Bühnen-Publikum das gedanklich schaffe, in einer Zeit, in der sich die Synapsen maximal auf Überschriften fokussieren. Diese Sorge des Kabarettisten war absolut unbegründet, denn Applaus und Lachen kamen an den richtigen Stellen - auch bei unerwarteten Drehungen und Wendungen.
HG Butzko nahm sein Publikum mit auf eine Reise durch die gesellschaftlichen und politischen Krisengebiete der Gegenwart. Merz und Trump, Ukraine und Gaza, Alt und Jung, Digitales und Analoges, Corona und Papstwahl gehörten ebenso dazu wie der Blick auf sich selbst und sein Publikum. Er selbst, so erklärte er, stehe über allen Lagern. „Mein politischer Standpunkt ist zwischen allen Stühlen.“ Er setze sich mitten in die Nesseln. Schon immer.
Vieles von dem, was derzeit geschehe, sei für ihn eine besondere Herausforderung und verursache großes Erstaunen. Seit Corona wisse er, wie viele Virologen es auch in seinem persönlichen Umfeld gebe, ohne dass die jemals Medizin studiert hätten. Oder die Verlautbarungen aus dem Weißen Haus. Für so was musste Christoph Daum eine Haarprobe abgeben. Immer wieder bezog sich Butzko auf seine Vergangenheit als Zivi und seine Herkunft aus Gelsenkirchen, das für ihn keine Stadt ist, sondern einem Thrombosestrumpf gleiche: Ohne Stütze geht gar nichts!
Nach zwei Stunden bester Kabarettunterhaltung verabschiedete sich HG Butzko mit zwei Zugaben von einem kräftig applaudierenden und sichtlich zufriedenen KiR-Bühnen-Publikum. Wir hätten dem Mann aus Gelsenkirchen, der in Berlin lebt, von Herzen mehr Kleinkunstbegeisterte gewünscht. Er hätte es wirklich verdient gehabt!
Mathias Tretter war mit seinem derzeitigen Programm "Souverän" am 28. März auf der KiR-Bühne. Und an diesem Abend zeigte er seinem hochzufriedenen Publikum, was Kabarett alles kann. Denn Mathias Tretter war wortgewaltig, scharfzüngig, aufklärerisch, kritisch, faktenbasiert und setzte seine Pointen zur rechten Zeit. Mit anderen Worten: sein Programm war "Souverän" und topaktuell.
Seine kritische Auseinandersetzung mit den laufenden Koalitionsverhandlungen und der politischen Lage in der Zeit nach der Bundestagswahl war ebenso satirisch souverän wie seine Darstellung Trumpscher Politik oder der Zielvorstellungen eines Elon Musk, Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg. Dem Siegeszug des Populismus in Politik und Gesellschaft und der Macht sozialer Netzwerke stellte er die reinigende Wirkung des deutschen Stammtisches gegenüber. Denn im Vergleich zur Anonymität im Netz erzeuge die körperliche Anwesenheit am Stammtisch einen durchaus positiven Effekt oder wie Mathias Tretter sich ausdrückte: „Gewalt ist zwar keine Lösung aber eine Hemmung!“ Daher forderte er die Rückkehr zur deutschen Stammtischkultur, die ein echtes Weltkulturerbe sei.
Wie bei seinem letzten Auftritt in Rheinstetten hatte Tretter auch dieses Mal seinen Freund Ansgar, sein Alter Ego, mit dabei, der nach seinem Scheitern als Kunstgalerist und seiner misslungenen Ehe mit einer chinesischen Pianistin einen Neustart mit einer chinesischen Marsmission versuchte. Doch Ansgars absurde Flucht ins All endete abrupt und entpuppte sich in der Schlusspointe als reine Simulation.
Trettter analysierte mit seinem neuen Programm treffsicher die kleinen und großen Krisen dieser Zeit, bot hochrespektables politisches Kabarett, überzeugte mit geistreichen Wortspielen und hielt sein anspruchsvolles Niveau über kurzweilige zwei Stunden – ganz souverän. Sein Publikum in Rheinstetten genoss diese gleich zu Beginn angekündigte handyfreie Zeit und dankte Mathias Tretter mit langanhaltendem Beifall für einen gelungen Abend.
Jahrelang war das Mantra in der Kabarettszene „Kabarett muss auch weh tun“ und man hoffte, dass es die anderen trifft. Am ersten KiR-Abend des sozialdemokratischen Kulturprojekts in diesem Jahr bekam aber in der Hauptsache das Regierungslager sein Fett weg. Dass dabei die Rest-Ampel Hauptangriffsziel der Kabarettistin war, gehört in einem Land mit freier Meinungsäußerung dazu.
In einem zweieinhalbstündigen Programm präsentierte Simone Solga vor vollem Haus ihre Sicht auf unser Land. Klar: Kabarett muss den Finger in die Wunde legen, muss politische Missstände benennen, Kabarett darf viel, es darf oder muss auch weh tun. Kritisches Kabarett hört aber da auf, wo destruktives Wutbürgertum und die Diskriminierung von Menschen beginnt. Diese Grenze überschritt Simone Solga immer wieder und viele des Stammpublikums stellten fest, dass das nicht mehr die Kabarettistin war, die sie auf der KiR-Bühne in den vergangenen 25 Jahren kennengelernt und die die Verantwortlichen vor zwei Jahren gebucht hatten.
Allerdings gehört auch zur Wahrheit dazu, dass Solga ein gespaltenes Publikum zurückließ: einem Teil hat das Programm gefallen, einige waren enttäuscht und andere sind aus Protest in der Pause gegangen.